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KUNST IM KAFFEE

An einem noch sehr frischen berliner Frühlingstag im März trieben mich herrlicher Sonnenschein und die Lust auf noch Unbekanntes von der Friedrichstrasse in Richtung Oranienburger Strasse. Ich bog gerade in die Oranienburger Strasse ein als mir das Café  Berlin Theke auffielVon außen lockten mich warme Lichter, eine entspannte Atmosphäre und Genuss. Nach einigen Stunden Laufen war ich ein wenig durchgefroren und hatte Lust auf gutes Essen, einem heißen Kaffee und Lesen in meinem Buch, das ich in letzter Zeit sehr vernachlässigt hatte. Das Essen schien wie für mich abgestimmt, denn es hob sich trotz einfacher Zubereitung durch Qualität und den ausgewählten Produkten von dem schnellen Essen der Friedrichstrasse ab. In dem oberen separaten Bereich des Cafés überraschte mich: Kunst. Das Konzept der Agentur kunstundhelden beeindruckte auf kleinstem Raum mit den Werken ihrer Künstler. Die Agentur für neue Kunstkonzepte rückt durch ihre Ausstellungen aufstrebende internationale Berliner Künstler in den Vordergrund und gibt ihren Werken durch ungewöhnliche Orte die passende Aufmerksamkeit. Warum nicht auch Graffiti von Steven Borchert alias Mr. Märs? In der Berlin Theke finden nicht nur von Corina Prins und Anne Zdunek veranstaltete Ausstellungen statt sondern auch Lesungen wie die von Thomas Christian Kotulla (Die Begründung der Welt). Die Kombination einer Ausstellung mit einem weiteren kulturellen oder wirtschaftlichen Angebot jeglicher Art ermöglicht dem Betrachter vielfältigeren Genuss und erweitert zugleich seine Räume, in denen er Menschen ansprechen kann. Für mich war es eine gelungene Kombination, denn es machte darauf aufmerksam, dass die großen Dinge in den kleinen Momenten liegen können.

Noch beim Kaffee an der großen Front entdeckte ich einen Kiosk auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Ich war mir nicht sicher, ob der einsame Laden zu der Gattung Späti gehört oder nicht. Denn er unterschied sich von den anderen Spätis nur unwesentlich, nur in der Kleinigkeit eines freistehenden Geschäftes. Seine Gäste waren scheu und wollten nicht gern fotografiert werden, was ich respektiere, aber die Zeitung auf dem Bild einsam erscheinen lässt. Interessant ist jedes Mal, das Klientel vor Spätis zu beobachten und festzustellen, welche Menschen sich dort bevorzugt aufhalten. Denn sie sind der Spiegel des Kiezes. Ich hatte statt eines Fotos ein wunderbares Gespräch mit zwei Herren erhalten, die mir von den Veränderungen in der Oranienburger Strasse berichten konnten. Das Ende des Tacheles, die steigenden Mengen der Touristen und der stetige Verlust seines Flairs nimmt der Oranienburger Strasse seine Attitüde und lässt ihre Besonderheit zu einer weiteren Touristenstrasse Berlins verwässern. Das leise Trauern ihrer Erzählung bedrückte mich etwas und ich fragte mich, ob die Oranienburger es schaffen würde, den Verfall ihrer Atmosphäre aufzuhalten, vielleicht sogar umzukehren. Denn die künstlerische Darstellung Berlins bedarf mehr als nur leckeren Kaffee und die versteckten Bilder ihrer Künstler.

 

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